SystemsprengerInnen

Systemsprenger und Grenzgängerinnen

Früher nannte man sie „schwer erziehbar“, „hard to reach“ oder „Problemkinder“. Es sind Minderjährige mit einer „Störung des Sozialverhaltens“, delinquent, dissozial, oppositionell, gewaltbereit, grenzverletzend und „Verhaltensauffällig“.

Verhaltensauffälligkeit kann als Sammelbegriff bezeichnet werden für verschiedene Phänomene bei Kindern und Jugendlichen die durch ein abweichendes Verhalten bezogen auf altersgerechte soziale Erwartungen, Regeln und Normen auffallen. Vorrangig zeigen sich Abweichungen in psycho-sozialen Bereichen. Zb. Sozialen Kompetenzen, Emotionen, Motivation und Regelbewusstsein.

Es scheint keine klare Formulierung oder Definition zu geben wie man die Zielgruppe beschreibt die es diversen Hilfesystemen so schwer macht.

„Verhaltensstörung ist ein von den zeit- und kulturspezifischen Erwartungsnormen abweichendes maladaptives Verhalten, das organogen und/oder milieureaktiv bedingt ist, wegen der Mehrdimensionalität, der Häufigkeit und des Schweregrades die Entwicklungs- , Lern- und Arbeitsfähigkeit sowie das Interaktionsgeschehen in der Umwelt beeinträchtigt und ohne besondere pädagogisch-therapeutische Hilfe nicht oder nur unzureichend überwunden werden kann.“


(Myschker, N. (2009). Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Erscheinungsformen, Ursachen, hilfreiche Maßnahmen. Stuttgart: Kohlhammer, S49)

Treffen viele der obigen Verhaltensweisen bei einem Kind/Jugendlichen zu und schaffen es herkömmliche Hilfeangebote nicht hier gelingend zu begleiten, werden unweigerlich Systeme gesprengt. Da die Systeme zu eng strukturiert sind und wenig Spielraum und Kooperationen zulassen.

Die Zielgruppe der Individualpädagogik sind sogenannte  „Systemsprenger und Grenzgängerinnen“, also Systeme @high risk.

Aus eigenen internen Studien in der Organisation in der ich seit 2008 arbeite (AKs Noah Wien) und zB. der InHaus Studie (vgl. Klein & Macsenaere, 2015) wissen wir, dass die Jugendlichen als Symptomträger ganzer Systeme mit multiplen Deprivationen gesehen werden können. Die familiären Strukturen weisen auf problematische Beziehungen zu den Vertrauenspersonen hin und zeigen meist mehrfach Traumatisierungen über Generationen im Familiensystem auf.

Sieht man sich die Lebensgeschichten an, sehen wir Jugendliche deren Kindheit geprägt war durch missbräuchliche Beziehungen, dysfunktionale Beziehungen, emotionaler Unterversorgung uvm.  Sie stammen vielfach aus sogenannten Multiproblemfamilien. Ihr Weg in der Kinder-Jugendhilfe beginnt nach der Abnahme durch das Jugendamt – raus aus der Familie – hin in eine Einrichtung „WG“. Dort wird die angebotene Beziehung der Betreuer*innen und der Helfersysteme auf die Probe gestellt und die mitunter irritierenden, bedrohlichen Verhaltensweisen münden in einer Jugendhilfekarriere, von Einrichtung zu Einrichtung. Sie sprengen Systeme im Sinne von hilflosen überforderten Hilfesystemen die jedes für sich keinen geeigneten Rahmen für diese „entgrenzten Kids“  bieten kann.

Wer hält also die aus die keiner aushält?