Bevor eine gelingende Begleitung eines Minderjährigen stattfinden kann benötigt es nicht nur den Fall und ein paar Akten, es benötigt das Verständnis gegenüber seiner Lebenswelt, seinen Themen, seinen Auffälligkeiten und Ressourcen.

Eine vorhergehende multiperspektivische Falldiagnostik schliesst die am „System Jugendliche/r“ Beteiligten mit ein. Dies sind nicht nur die Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe. Dies kann die Lehrerin der Schule sein, die Schwester, aktuelle Bezugsbetreuer/in, die Eltern, Freunde, der Psychologe wo er/sie einmal war, der/die zuständige beim Jobcoaching….. Es bedeutet ein aktives Einholen an Informationen und Eindrücken sammeln um ein umfassenderes Bild zu bekommen, mit dem Ziel ein vielleicht geeignetes Angebot zu schaffen.

Es werden dabei Biopsychosoziale Faktoren miteinbezogen. So entsteht ein Mehrdimensionales Fallverständnis als Grundlage. Die Erkenntnisse daraus werden in einem Bericht festgehalten und sind bereits der erste Teil der eigentlichen Einzelfallmassnahme. Es werden dabei automatisch Beziehungsnetzwerke ernst genommen und informiert und jede/r Einzelne wird in seinem Blickwinkel wahr genommen. Der/die Jugendliche selbst wird in diesem Prozess genauso befragt und dialogisch von Anfang an in die Planungen mit einbezogen.

Einfach weg fahren weil es gerade eine Krise gibt – reicht nicht !

Individualpädagogische Hilfen zur Erziehung sind immer auch Koproduktionen mit bereits vorhandenen Systemrelevanten Personen (zb. Polizei, Psychiatrie, Einrichtung) , der Finanzierenden Kinder- und Jugendhilfe, dem Herkunftssystem (Familie), der Peergroup, Vertrauenspersonen des Jugendlichen und hinzugezogenem Fachpersonal. Ähnlich einer stationären Einrichtung (WG) muss ein hoher Grad an Koordination geleistet werden um eine geeignete Hilfe zu planen, initiieren und umzusetzen.

Macsenaere Michael (2018). «Systemsprenger» in den Hilfen zur Erziehung: Welche Wirkungen werden erreicht und welche Faktoren sind hierfür verantwortlich? Jugendhilfe, 56 (3), S. 310–314. M