Excerpt des Vortrages bei der ÖFEB Tagung Sozialpädagogik, Uni Klagenfurt, September 2023

 

In Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erwartet man sogenannte „soziale Integrationsfähigkeit“. Gemeint ist meist eine gelingende Interaktion mit der vorhandenen Gruppe, ein gewisses Maß an sozialer Kompetenz und die Akzeptanz bestimmter Struktureller als auch Gruppendynamischer Regelungen. Ziel ist eine Identifikation mit dem System und Zugehörigkeit zur Gemeinschaft in der sie ab sofort Leben sollen. (vgl. Esser, H. 2001)

Diese Kinder landen also in ihnen fremden Systemen, mit fremden Strukturen, fremden Menschen und anderen fremden Kindern. Und sie sollen dortige Regeln, Strukturen, Norme und Werte übernehmen, ungeachtet dessen wie sie davor „ihr Leben“ gelebt haben.

Integration in dieses bestehende System bedeutet natürlich nicht gleichzeitig, dass eine gelingende soziale Interaktion stattfindet. Für manche Kinder und Jugendliche ist der Prozess der Integration in eine Gruppe über ihre gewohnten, für andere destruktiven Verhaltensweisen, schnell möglich. Durch dominante, bedrohliche oder aggressive Verhaltensweisen verschaffen sie sich in der Hierarchie einer Gruppe ihren Rang. Dies passiert in der Einrichtung genauso wie außerhalb in einer Peergroup. Doch dies ist nicht die gewünschte soziale Interaktion!

Häufig entsteht dann ein Einrichtungshopping da diese Kinder ganze Systeme herausfordern, irritieren und ihre bedrohlichen Verhaltensweisen sich und andere gefährden. Man muss sich eingestehen, dass es „Kids“ gibt deren aktuellen Lebenswelten und Verhaltensmuster in Gruppen, sei es in einer Einrichtung oder auch in der Peer Group, im Öffentlichen Raum usw.  in Form von herkömmlichen pädagogischen Settings nicht zu begleiten sind.

Individualpädagogische Maßnahmen setzen dort an wo konstruktive, entwicklungsfördernde Inklusion in einer Gruppe aktuell nicht möglich ist. Im Sinne von „includere“ benötigt es, dass Einlassen auf den Einzelnen. Dort wo Systeme gesprengt werden, benötigt es Systeme die sich flexibel anpassen können. Die wenigsten Kinder- und Jugendhilfe Einrichtungen können dazu den geeigneten Rahmen bieten, bei gleichzeitig steigender Problematik der Betreuung sogenannter Minderjähriger Systemsprenger:innen in der Kinder- und Jugendhilfe.

Manches Verhalten ist so irritierend und gefährdend, dass eine Begleitung teilweise nur noch in einem stark regulierten Einzelsetting mit der Möglichkeit flexibler Nähe/Distanz und wenige in Beziehung gehende Betreuer:innen stattfinden kann. Diese Exklusion bedeutet ein Individualpädagogisches Betreuungssetting mit gleichzeitiger Akzeptanz der aktuellen Persönlichkeitsstruktur.

Individualpädagogik ist ein exklusives Angebot, für einen bestimmten Zeitraum, mit dem Ziel durch passgenaue Hilfe eine konstruktive gesellschaftliche Teilhabe, Soziale Integration,  zumindest in „Mikrosystemen“ zu ermöglichen. (vgl. Rödler, 2009)

 

Esser, H. (2001). Integration und ethnische Schichtung (= Arbeitspapier Nr. 40). Mannheim: Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)

Rödler, P.(2003). Klarstellung zu: Integrationspädagogik – Inklusive Pädagogik –Allgemeine Pädagogik; Integration gegen Behinderungen. Ausgehoben 10.2.2023: https://userpages.uni-koblenz.de/~proedler/autsem/ri.pdf