Deviant, Delinquent und viel zu jung
Strafunmündige Kids treiben vorrangig im städtischen Gebiet ihr Unwesen. Sie klauen Autos, bedrohen sich gegenseitig, sind gewaltbereit und hinterlassen eine Spur der Verwüstung.
Der mediale als auch politische Druck wächst. Ohne jemals in Österreich etablierte Betreuungsformen die zb. in Deutschland vorgelebt werden auszuprobieren wird hierzulande der Ruf nach Herabsetzung der Strafunmündigkeit lauter. Die Konsequenz daraus wäre die Idee Jugendliche früher Inhaftieren zu können.
Dies ist als Ausdruck von systemischer Hilflosigkeit zu sehen, denn zahlreiche Studien belegen, dass eine Haft weder abschreckt noch aus sich heraus weitere Taten verhindert.
Anstatt endlich genauer hinzusehen inwiefern es bereits Erfahrungen aus anderen Ländern gibt und auch in Österreich Betreuungs- und Hilfesysteme zu etablieren die nicht erst „gesprengt“ werden müssen, setzt man also am System der Bestrafung an.
Diese „Kids“ zeigen uns wo unsere Systeme nicht funktionieren und wo es Bedarf an anderen Interventionen benötigt.
Nachdem diese Kids tatsächlich massiv entgrenzt agieren, sich und andere Gefährden und massive Sachschäden anrichten, zeigen sie wie sehr sie Grenzen suchen, doch sie bekommen keine.
Auffällige Kinder/Jugendliche werden zurecht aus desolaten Familiensystemen herausgeholt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie bereits erlebte und vorgelebte Werte und Verhaltensmuster plötzlich ablegen nur weil sie in einem Krisenzentrum oder einer WG der Kinder- und Jugendhilfe sind.
Im Gegenteil, die Flut an neuen Angeboten, Erwartungen und Betreuern die täglich wechseln sind auch Überfordernd.
Außerdem ist die Kinder- und Jugendhilfe keine geschlossene Einrichtung. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen dürfen nicht gesetzt werden. Durch die Strafunmündigkeit darf auch von Seiten der Justiz und Polizei kaum eingegriffen werden. Dies wissen diese Kids.
Die Psychiatrie ist nicht zuständig, denn diese sind für Akutversorgung und klassische psychische Erkrankungen zuständig, nicht für „entgrenzte Verhaltensauffällige“ Kids.
Somit entsteht die Ohnmacht abzuwarten bis sie 14 sind in der Hoffnung, dass zumindest dann eine Grenze gezogen wird. Diese Idee ist nachvollziehbar sieht man sich die Taten an. Verstehe ich jedoch den Mensch, das Kind, den Jugendlichen, weiß ich er/sie hat es sich so nicht ausgesucht.
Nachdem „diese Kids“ Großteils in der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht sind ergibt sich hier ein zentraler Bedarf, an geschultem Personal und geeigneten Konzepten, hinsichtlich der Prävention und Begleitung bei Delinquenz. Die Kinder- und Jugendhilfe ist die Drehscheibe und direkt am Kind/Jugendlichen mit dem Auftrag der Betreuung. Dafür benötig es verlässliche Systemübergreifende Kooperationspartner und ein umdenken der „klassischen“ Sozialpädagogischen Versorgung in WGs.
Wir reden hier von Kids die im Widerstand mit sich und Anderen vorrangig eines brauchen – stabile Beziehung und jemanden der „sie sieht“. Jemanden der sich nicht abschrecken lässt, der dran bleibt, ein bedingungsloses zu Hause bietet und auch in die unangenehme Rolle jener Eltern schlüpft die auf den Straßen unterwegs sind wenn die Kids mal abhauen, die sich nicht abschrecken lassen, die nicht tagelang nicht erreichbar sind, sondern da sind und hinsehen uvm.
Es benötigt Individualpädagogische Einzelfallbetreuung die ihren offiziellen Weg nach Österreich noch nicht ganz gefunden hat.
Weiterführend:
Deutsches Jugendinstitut, Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminalitätsprävention
Lienhart, Christina: Kinderdelinquenz in Österreich. Definitionen, empirischer Ergebnisse, Ableitungen, SPI-Schriften 2008
Mangels, Frauke: Systemsprenger oder Verhaltensoriginelle Jugendliche?, Fachtagung Individualpädagogische Konzepte in der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe, 2015 Wolfenbüttel
Körner, Jürgen: Wirksamkeit ambulanter Arbeit mit delinquenten Jugendlichen. Erste Ergebnisse einer vergleichenden Studie; in: ZJJ – Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe, 3/2006